artiso Tech Talk – Scrum – Dead or Alive?
Scrum ist eines der bekanntesten agilen Frameworks – doch ist es noch zeitgemäß? Während einige es als unverzichtbar betrachten, stellen andere seine Relevanz infrage. Welche Prinzipien bleiben, welche müssen sich weiterentwickeln? Am 7. Mai 2025 stellten wir genau diese Fragen in den Mittelpunkt und diskutierten wir über die Zukunft agiler Methoden.
Referent des Abends war René Guder, Senior Software Developer und Professional Scrum Master bei artiso, der auf eine langjährige Praxis in agiler Softwareentwicklung zurückblicken kann. Sein Ziel war es, den Teilnehmenden nicht nur die Theorie von Scrum näherzubringen, sondern vor allem darüber zu sprechen, warum es in der Realität oft scheitert – und was wir daraus lernen können.

Ein Blick in die Geschichte: Woher kommt Scrum?
René begann seinen Vortrag mit einem kurzen Überblick über die Ursprünge von Scrum. Die Idee eines flexiblen, stark teamorientierten Ansatzes wurde bereits in den 1980er Jahren in der Harvard Business Review beschrieben, wo der „rugby“-Ansatz vorgestellt wurde: Teams arbeiten als Einheit, passen sich kontinuierlich an und geben das „Ballspiel“ (die Verantwortung) flexibel weiter. Später flossen auch Konzepte aus der Welt der Kampfpiloten ein, wie der OODA-Loop (Observe-Orient-Decide-Act), bevor Jeff Sutherland Scrum schließlich 1995 formal präsentierte.
Nach diesem historischen Einstieg ging René auf die Grundlagen von Scrum ein: Rollen, Ereignisse und Artefakte, ergänzt durch die Prinzipien des agilen Manifests. Ein zentraler Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch den Vortrag zog, war dabei der Leitsatz:
„Individuals and interactions over processes and tools.“
Menschlichkeit im Fokus
Im Zentrum des Abends stand Renés Überzeugung, dass agile Softwareentwicklung nur dann wirklich funktioniert, wenn wir uns nicht allein auf Prozesse und Werkzeuge konzentrieren, sondern auf das, was Teams wirklich bewegt. Seine These lautete:
„Agile Softwareentwicklung kann nur zum Erfolg führen, wenn wir auch Menschen sein dürfen.“
Diese Botschaft wurde durch aktuelle Zahlen aus dem State of Agile Report untermauert: Während kleine Unternehmen Scrum häufig erfolgreich einsetzen, sinkt die Zufriedenheit bei mittelgroßen und großen Organisationen deutlich. Zu den Ursachen zählen oft ein mangelndes Verständnis für agile Arbeitsweisen und fehlende Schulungen. Besonders kritisch wurde es, wenn Scrum nur oberflächlich übernommen wird, ohne die zugrunde liegenden Werte zu leben – bezeichnet als Fake Agile oder Dark Agile.

Praxisbeispiele, die Mut machen
Scrum kann auch erfolgreich wirken, wenn es richtig implementiert wird:
Toyota: Kombination von Lean und Scrum, 25 % weniger Abfall durch kontinuierliche Verbesserung.
Microsoft (Azure): Verkürzte Entwicklungszyklen dank DevOps und CI/CD, 40 % weniger Fehler, besseres Kundenfeedback.
Philips: Einführung von SAFe (Scaled Agile Framework), 58 % schnellere Feature-Entwicklung.

„People over Processes“ in der Praxis
Ein zentrales Anliegen von René war es, aufzuzeigen, wie der Satz „People over Processes“ tatsächlich im Alltag gelebt werden kann. Hier führte er die psychologischen Grundbedürfnisse nach der Self-Determination Theory an: Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit. Nur wenn diese erfüllt werden, können Teams ihr Potenzial entfalten und eine intrinsische Motivation entwickeln.
Besonders hervor hob René die Retrospektive als wichtigstes Scrum-Meeting. Sie bietet Teams die Möglichkeit, gemeinsam zu reflektieren, aus Fehlern zu lernen und sich kontinuierlich zu verbessern – ein entscheidender Faktor für nachhaltigen Erfolg.
Empfehlungen für die Praxis:
- Mehr Fokus auf Motivation und Emotionen, den Einsatz von Formaten wie Glad/Sad/Mad-Retrospektiven.
- Das Messen von Flow anstelle reiner Geschwindigkeit (Velocity).
- Das bewusste Feiern von Erfolgen und Kompetenzen im Team.
Fazit: Scrum braucht Menschlichkeit
Am Ende stand die Erkenntnis, dass Scrum weder pauschal „tot“ noch uneingeschränkt „lebendig“ ist. Entscheidend ist die Art und Weise, wie es angewendet wird. René betonte, dass Organisationen, die sich nicht nur auf Prozesse, sondern auf Menschen konzentrieren, mit Scrum erfolgreich sein können. Dies unterstrich er mit einem Zitat von Ken Schwaber, Mitbegründer von Scrum:
„Scrum is like a mirror – it shows you where your organization is sick. But healing requires humanity, not just processes.“

Der TECH TALK bot den Teilnehmer:innen eine wertvolle Mischung aus Theorie, Praxisbeispielen und persönlichen Einblicken. Besonders der Austausch im Anschluss machte deutlich, dass das Thema viele Teams und Organisationen bewegt – und dass es kein einfaches Richtig oder Falsch gibt, sondern vor allem eine Einladung zum gemeinsamen Weiterdenken.
Die artiso solutions GmbH bedankt sich bei allen Teilnehmenden für die engagierte Diskussion und freut sich auf weitere spannende Veranstaltungen im Rahmen der TECH TALK-Reihe.

René Guder
René ist Senior Software Developer und Professional Scrum Master mit langjähriger Erfahrung in agiler Softwareentwicklung. Seit 2008 bei artiso, ist er in verschiedenen Vorgehensmodellen zuhause, fühlt sich in Scrum und Kanban am wohlsten und hat ein besonderes Faible für das „Scrummastern“.